Frage 1: Ist Deutschland bei Künstlicher Intelligenz weltweit abgehängt?

Antwort:

Auch wenn in der öffentlichen Diskussion oft die Meinung vorherrscht, dass China und die USA bei Künstlicher Intelligenz Deutschland und Europa längst überholt hätten, zeigt eine differenzierte Sichtweise ein anderes Bild: Die USA und China investieren zwar am meisten Geld, das ist richtig. Aber die grundlegenden KI-Algorithmen stammen fast ausschließlich von Europäern. Europa gehört immer noch zu den führenden KI-Regionen der Welt: So sind 28 Prozent der Veröffentlichungen zum Thema KI, laut Elseviers Scopus-Datenbank, mit europäischen Autoren verknüpft, auf Platz 2 und 3 folgen China (25 Prozent) und die USA (17 Prozent). Und betrachtet man die Publikationen aus China näher, so sind dies bislang keine wegweisenden Durchbruchsinnovationen, sondern meist inkrementelle Verbesserungen von Ideen aus Europa oder den USA.

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Umfeld von KI-Konferenzen. Bei der Konferenz der Association for the Advancement of Artificial Intelligence (AAAI) im Jahr 2018 z.B. stammten zwar rund 70 Prozent der eingereichten Publikationen aus den USA oder China, aber die Annahmequote für beide Länder ist relativ gering (USA: 28,7 Prozent; China: 21,3 Prozent). Die Länder mit der höchsten Annahmequote hingegen (jeweils 41,2 Prozent) sind Deutschland und Italien.

Die Bedeutung Deutschlands und Europas im Bereich der KI, insbesondere in der grundlagenorientierten KI, ist herausragend. So hat Deutschland in den letzten Jahrzehnten international sichtbare Leuchttürme der KI-Forschung und Anwendung hervorgebracht. Deutschland genießt darüber hinaus einen hervorragenden Ruf bei der Ausbildung in relevanten Bereichen wie Mathematik und Informatik. In Deutschland ausgebildete Wissenschaftler sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt, sowohl in der Forschung an den Top-Universitäten der Welt als auch in der Wirtschaft.

 Was oftmals fehlt, ist die internationale Sichtbarkeit der deutschen KI-Forschung. Die mit der KI-Strategie der Bundesregierung angestoßenen Maßnahmen, wie z.B. die Schaffung von KI-Kompetenzzentren, Reallaboren, Innovationszentren und Living Labs, sind wichtige Bausteine, um die KI-Forschung in Deutschland international wettbewerbsfähig zu halten und die Sichtbarkeit der deutschen KI-Forschung international zu erhöhen.

 Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Perspektivwechsel: Aus Sicht von Experten teilt sich die aktuelle KI-Forschung weniger geographisch zwischen Deutschland/Europa und anderen Regionen, sondern hauptsächlich zwischen Forschern, die Zugriff auf extrem große bzw. extrem wertvolle/sensitive Daten haben und anderen Forschern. Hiermit sind insbesondere Konzerne und Forscher in Ländern mit weniger strikten datenschutzrechtlichen und regulatorischen Vorschriften gemeint. Bei Forschern, die keinen Zugriff auf solche Daten haben, sind die Unterschiede deutlich weniger ausgeprägt.

In den USA und China sammeln Unternehmen jede Menge personenbezogener Daten. Das passiert in Deutschland und Europa sehr viel weniger, was aus datenethischer Sicht nachvollziehbar ist. Aber deutsche Unternehmen haben grundsätzlich Zugriff auf eine unglaubliche Menge an digitalen Maschinendaten – mehr als jedes andere Land, da hier die modernsten Produktionsmaschinen entwickelt und gebaut werden. Das ist eine große Chance, die genutzt werden kann.